Gott Jesus bat nicht darum eines grausamen Todes sterben zu
dürfen. Im Gegenteil, er bat den Vater darum, der Kelch möge an ihm
vorübergehen. Es spricht für sein Menschsein, dass er darum bat,
und es spricht für sein Gottsein, dass er sich gefügt hat. Christus
hat sich nicht gegen den Willen seines Vaters aufgelehnt, sondern
sich ganz in die Hände der Menschen ausgeliefert. Man bedenke: Der
Gottmensch Jesus ist ja immer auch der in Ewigkeit geborene Sohn.
Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott. Konnte
Christus somit überhaupt anderer Meinung sein als der Vater, mit dem
er eines Wesens ist? Aus freien Stücken - und das ist wichtig
zum Verständnis, warum ein angeblich grausamer Gott seinen Sohn eben
nicht voller Heimtücke hat abschlachten lassen - hat er sich gefügt.
Ich bin sicher, dass Gott sein Heilswerk auf vielerlei Weise hätte
realisieren können, aber Gott ließ den Menschen ihre Freiheit und
ließ den Dingen ihren Lauf, um im Zuge der Ereignisse sein
Heilswirken zu realisieren. Wusste Jesus im Garten Gethsemane davon
was ihm blüht, ich meine, auf welche Weise er zu Tode kommen wird?
Hatte er in seiner menschlichen Inkarnation gewissermaßen "Zugriff
auf alle Infos"? War ihm wohl bewusst, dass er die schlimmste
Todesart erleiden würde, die menschliche Grausamkeit in der Antike
ersonnen hat? Oder war es die quälende Ungewissheit, die ihn Blut
und Wasser schwitzen ließ? Ich weiß es nicht, aber ich bin
überzeugt davon, dass Jesus sich aus Liebe - und das bedeutet immer
aus freien Stücken - in die Hände der Menschen ausgeliefert hat.Für
viele Menschen (auch Christen) ist das Kreuz - besonders mit Korpus -
etwas abstoßendes. Ausdruck einer Sadomasochistischen Religion, die
das Leiden verherrlicht und, um das zu verdeutlichen,
konsequenterweise ein Folterinstrument zu ihrem Symbol gemacht hat.
Aber das Kreuz ist ungleich mehr. Das Kreuz ist ein Hoffnungszeichen,
das über sich selbst hinausweist. Es symbolisiert die Zerrissenheit
unserer Welt, aber gleichzeitig auch ihre Heilung. Das Kreuz spricht
von der Liebe Gottes zu uns, macht aber gleichzeitig Ernst mit dem
Leid, der Bosheit und der Erlösungsbedürftigkeit der
Menschheitsfamilie.
Ja es stimmt, die Leiden Christi werden verherrlicht, ihrer wird
ständig gedacht, sei es in stiller Andacht, oder als große
Prozession in Jerusalem oder anderswo. Der Kreuzweg ist wichtiger
Bestandteil der katholischen Spiritualität und Frömmigkeit - wenn
auch rückläufig.
Das bedeutet aber nicht, dass Christen aufgerufen sind, soviel wie
möglich zu leiden, es ist eher so, dass das Christentum unter Fülle
des Lebens ausdrücklich auch das Leiden mit einbezieht. Fülle des
Lebens bedeutet gute wie schlechte Zeiten erlebt zu haben, und beides
auch anzunehmen in Dankbarkeit. Wir sollen das Leid und den Schmerz
nicht suchen, auch wenn es Christen gibt die genau das tun, ich denke
da an einige abwegige Praktiken auf den Phillipinen, wo sich z. B.
jedes Jahr einige Katholiken unter ärztlicher Aufsicht für einige
Minuten an ein Kreuz nageln lassen. Wenn Jesus davon spricht, dass
jeder sein Kreuz auf sich nehmen soll, meint er vielleicht, dass wir
nicht der eigenen Trägheit verfallen sollen, sondern Gutes tun und
nach Gottes Geboten leben sollen. Das dürfte schwierig genug sein
für ein kurzes Menschenleben.
Ich verstehe gut, warum viele Christen lieber auf die Auferstehung
blicken, aber die Glorie der Auferstehung, die sich still im geheimen
vollzog, erlangt ihren tiefsten Sinn erst durch die öffentliche
Erniedrigung Jesu und sein Sterben am Kreuz. Dieser Nullpunkt des
irdischen Jammertales hat Christus durchlitten für uns, aber nicht
nur um seine Solidarität mit dem Menschengeschlecht zu
demonstrieren, sondern um die gefallene, irdische Wirklichkeit an
ihrem tiefsten Punkt aufzunehmen und zu verwandeln. Es gibt für mich
keine radikalere Art, durch die Gott seine Liebe zu uns hätte
ausdrücken können.
Die durch menschliches Handeln vollzogene Erlösungstat Gottes am Kreuz
– sowie die Auferstehung von den Toten sind zwei Seiten derselben
Medaille, die einer konsekrierten Hostie gleicht.
Wir brauchen uns nicht mehr zu fürchten, als Christen sind wir
durch die Taufe gestorben und in Christus wiedergeboren. Die
furchtbare Angst die unser Erlöser im Garten Gethsemane hatte,
braucht uns nicht mehr zu befallen. Sicher – es gibt keinen
Heilsautomatismus, auch wenn viele das glauben wollen, das Leben bleibt
ein Ernstfall, aber Christus hat uns – also seiner Kirche den
Weg gewiesen, und wir sind aufgerufen in seine Nachfolge zu treten.
Der Rest ist Gnade.
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