Samstag, 26. November 2011

Politik und Religion

Wieviel Politik verträgt eine Religion? Ich stelle mal die Hypothese auf, dass sich Religion als ein System von Glaubenssätzen, kanonischen Schriften, rituellen Handlungen und ethischen Normen nicht sehr gut mit Politik verträgt. Daher halte ich die Trennung von Kirche und Staat für sinnvoll. Wenn ich schreibe, dass sich Politik und Religion nicht gut miteinander vertragen, meine ich natürlich nicht, dass man als religiöser Mensch unpolitisch sein soll - das nun gerade nicht. Man kann ja aus einer religiösen Überzeugung heraus bestimmte politische Grundhaltungen und Ziele formulieren, auch wenn das heutzutage mit Argwohn betrachtet wird, dem aufgeklärten Zeitgenossen ist es lieber, wenn man sein moralisches Koordinatensystem aus der Aufklärung bezieht, ganz so, als wäre sie beziehungslos in einem historischen Vakuum entstanden. Das Problem scheint mir eher darin zu bestehen, dass Politik die Kunst des Machbaren ist, (habe ich mal irgendwo gelesen) und somit immer auf einen Konsens abzielt, der möglichst viele mit ins Boot holt. Das wiederum beinhaltet aber auch, dass man Abstriche an der eigenen Position hinnehmen muss, ja sie manchmal sogar um eines höheren Gutes wegen gänzlich beiseite schieben muss. Das lässt sich ja am Beispiel der CDU/CSU ganz gut erkennen. Demgegenüber sind Glaubensfragen nicht verhandelbar. Beurteilt man die katholische Kirche in Deutschland aber nach politischen Kategorien, wird das Volk Gottes schnell eingeteilt in progressiv und konservativ, b.z.w. links und rechts. Ganz vereinfacht ausgedrückt sind die Progressiven die Guten, und die Konservativen die Doofen aus dem Gottesvolk. Wer allerdings religiöse Überzeugungen so beurteilt, fischt im Trüben, denn er bringt eine Kategorie mit ins Spiel, die am Wesentlichen der Kirche vorbeigeht. Das Problem besteht meines Erachtens darin, dass man nicht so sehr aus religiösen Überzeugungen heraus politische Ziele formuliert, die in den gesellschaftlichen Diskurs eingebracht werden, sondern, dass die Kirche von ihren Mitgliedern selbst zum Gegenstand für politisch motivierte Veränderungen gemacht wird. Das aber bedeutet, dass jene Kirche, die von ihrem Selbstverständnis her ein Werkzeug des Heils ist, damit die ihr Zugehörigen dann die Welt heiligen können, im Prinzip nach weltlichen Maßstäben verändert werden soll. Das wäre dann die vielzitierte Selbstsäkularisierung der Kirche, die mir großes Unbehagen bereitet. Die Kirche ist ein spiritueller Raum und nicht ein Ort für gesellschaftliche Emanzipation. Aber genau das können viele Katholiken heute nicht mehr akzeptieren, weil die Kirche mit ihrer ganzen Überlieferung für sie in unerträglicher Spannung zur heutigen, demokratisch verfassten Gesellschaft steht. Dennoch ist sie kein „sozialer Verein“, den sich Menschen so ausgedacht haben, auch keine Partei, die man in Realos und Fundis aufteilen kann. Wenn hier etwas verändert werden soll, dann nur im Einklang mit der gesamten Tradition, und nicht im Widerspruch zu ihr. Das moralische Koordinatensystem zur Bestimmung dessen, was Fortschritt bedeutet, muss immer Jesus Christus sein, und nicht zeitbedingte Vorstellungen oder allzu Menschliches.
Interessant wird es, wenn der Wunsch nach Veränderungen in der Kirche theologisch begründet wird, z.B. die Abschaffung oder weitestgehende Einebnung der hierarchischen Verfasstheit des Gottesvolkes unter Berufung auf den sog. „Geist des Konzils“ oder auf das Urchristentum, in welchem es angeblich keine Hierarchien gab. Für letzteres habe ich Verständnis, auch wenn die Behauptung unzutreffend ist. Es ist der Wunsch nach einer neuen Einfachheit, der Wunsch zurück in ein gutes „Früher“ , in dem alles besser und reiner war, weil man damals "natürlich" die reine Lehre gelebt hat, und näher am „Ursprung“ war. Wunschdenken. Der Baum hat keine äußerliche Ähnlichkeit mit dem Samenkorn, aus dem er erwachsen ist. Aber der Baum enthält alles was an Anlagen bereits im Samenkorn grundgelegt wurde. Die Kirche, die sich im Laufe der Jahrhunderte entfaltet hat, unter dem Beistand des ihr von Jesus versprochenen heiligen Geistes, hat sich zu ihrer heutigen Gestalt entwickelt. Es ist wichtig, dass sie dem säkularen Anpassungsdruck widersteht, sonst haben zukünftige Generationen keine Chance mehr sie in ihrer in Jahrhunderten gewachsenen Gestalt und Verkündigung kennenzulernen. Eine Umwandlung der Kirche in eine parlamentarischen Demokratie ist mit ihrer Sendung nicht zu vereinbaren, die Vorstellung, wir heute lebenden Menschen wüssten am besten wie die Kirche auszusehen hat, ist anmaßend. Die Orientierung an einer kirchlichen Autorität bewahrt uns vor dem Absinken in die Mittelmäßigkeit, und Gehorsam hat eine tiefe spirituelle Dimension, die mit Katzbuckelei und Kadavergehorsam nichts zu tun hat. Die politische „Aufladung“ innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland hat keine guten Früchte hervorgebracht. Wenn ich mir die Forderungen durchlese, die von reformorientierten Katholiken vorgebracht werden, kann ich bei einigen Forderungen einfach nur mit dem Kopf schütteln, denn es ist zu einem großen Teil eine Agenda, die dem profanen Alltag des gesellschaftlichen Lebens entnommen wurde. Keine Spur zum Thema Glaubensverlust in der Gesellschaft, sondern eher Flucht in einen seltsamen Reformaktivismus, der die Kirchenbänke wieder füllen soll aber nicht wird. Katholische Tradition steht unter Generalverdacht, wer die lateinische Liturgiesprache schätzt, oder - Gott behüte! - die Messe im außerordentlichen Ritus zu würdigen weiss, macht sich Verdächtig. Statt alte Liturgie - und Gebetsschätze wieder neu zu beleben, und sich aktiv mit den auch philosophischen Grundlagen des katholischen Glaubens vertraut zu machen, wird gefordert, das der Mensch mehr in den Mittelpunkt gerückt werden soll. Der Mensch? Nicht Christus??
Wo ist der Sinn für die Tradition, für das immer Wahre, Gute und Schöne? Am schlimmsten aber finde ich es, dass man schnell in eine rechtskonservative Ecke geschoben wird wenn man sich als romtreuer, und mit der Lehre der Kirche übereinstimmender Katholik "outet" - denn das wird gemeinhin nicht sehr geschätzt. Die Tatsache, dass innerhalb der katholischen Basis eine bestimmte Einstellung vorherrschend ist, und Abweichungen davon als konservativ oder gar reaktionär gebrandmarkt werden, kann schnell zu einer Radikalisierung führen, wie man anhand der Piusbruderschaft sehen konnte. Lässt man diesen Menschen mit ihren zum Teil auch berechtigten Anliegen keinen Raum mehr in der Kirche, kapseln sie sich immer mehr ein. So eine Entwicklung kann und darf uns nicht gleichgültig sein.

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