Montag, 25. August 2014

Statusmeldung

Ich wollte mich mal wieder melden. Nach meinem "coming out" in Sachen Unfähigkeit an Gott glauben zu können, hat sich an dieser Situation nicht viel verändert. Immer mehr aber erlebe ich meine de Facto agnostische Haltung wie eine Wunde die nicht heilen kann. Ich meine das ganz ohne Schuldgefühle, sondern eher als eine Feststellung, eine übrigens, die mich traurig macht. Es ist irritierend und lässt mich nicht zur Ruhe kommen, tatsächlich ist das Thema Glaube und Gott nach wie vor stark präsent in meinem Denken und ich möchte das auch, da für mich die Auseinandersetzung mit den "letzten Dingen", den existentiellen Fragen des Daseins zu einem gelungenen, verantwortlichen Lebensvollzug dazugehört. In meiner Vorstellung, in der ich gewöhnlich der bin, der ich gerne wäre, führe ich häufig Dialoge mit anderen Menschen, die die Existenz Gottes für eine Illusion halten, und ich bin dann derjenige, der wortgewandt und eloquent für die Vernunft des Glaubens an Gott argumentiert. Wieso? Überflüssig zu erwähnen, dass ich in diesen Diskussionen natürlich immer die besseren Argumente habe - ähem. Ich schrieb einmal, dass ich nie ein Atheist sein könnte, weil das meiner Vorstellung von Vernunft widersprechen würde, aber was nützt schon die ganze Vernunft eines Menschen, der nicht vertrauen kann? Ich bewundere und respektiere es, wenn sich jemand ohne Überlegenheitsattitüde als Atheist bezeichnet, ich meine jemanden, der wirklich aus Überzeugung und eigenem Nachdenken die elementare Grundentscheidung getroffen hat, ein Leben als Atheist zu führen. Ich stelle mir vor, dass auch ein solcher Lebensvollzug ein hohes Mass an Vertrauen vorraussetzt, vielleicht sogar mehr als bei einem gläubigen Menschen, der ja immer auch Trost in seiner Überzeugung findet. Bin ich also in Wirklichkeit jemand, der nicht aus Vernunftsgründen kein Atheist sein kann, sondern eigentlich ebenfalls aus Mangel an Vertrauen? Die Frage schmerzt mich, weil sie mich bis ins Innerste berührt. Meine momentane Situation, mein "rumeiern", mein Unvermögen bei gleichzeitiger Sehnsucht "durchzubrechen" zu einer wahrhaftigen Entscheidung, schmerzt. Meine agnostische Grundhaltung enthält kein Bescheidenheitspathos, sondern wird von mir als defizitär wahrgenommen aber ganz ohne Selbstanklage. Meine Vernunft sagt mir nach wie vor, dass die Annahme der Existenz Gottes die plausiblere Option ist, da sie für meinen Verstand die geringere Zumutung darstellt. Die Vernunft sagt mir aber auch, dass es vernüftig ist zu vertrauen. Anders ausgedrückt: Ich glaube, dass es vernünftig ist zu vertrauen. Aber für mich ist der Sprung vom Philosophengott zum lebenden, liebenden Beziehungsgott schier unendlich gross, auch wenn in einer Enzyklika (fides et ratio?) die Rede davon ist, dass Gott mit "dem Lichte der natürlichen Vernunft mit Sicherheit erkannt werden kann" (Zitat möglicherweise vom originalen Wortlaut abweichend). Wäre dem wirklich so, bräuchte ich kein Vertrauen - oder? Dann hätte ich Gewissheit. Ich müsste einfach nur auf die Kraft meiner Vernunft vertrauen, also jenes Vertrauen haben, dass eben nicht der Glaube meint, der ja in der christlichen Perspektive als übernatürliche Gabe, als Geschenk von Gott auf den Menschen zukommt, und schon wäre der Knoten geplatzt. Vielleicht bin ich aber auch eingebildet und habe zu grosses Vertrauen in die Kraft meiner Vernunft, die, weil sie Gott nicht finden kann, zu dem Rückschluss kommt, dass es Gott nicht gibt. Aber dann wäre ich Atheist, was ja nunmal nicht der Fall ist, zudem weiss ich wohl, dass die Vernunft ein zwispältiges und rutschiges Pflaster sein kann, denn es gibt sie nicht unter den Menschen, DIE VERNUNFT an sich. Menschen haben nunmal häufig unterschiedliche Vorstellungen davon, was vernünftig ist. Im übrigen scheint es mir so zu sein, dass  ein Rückschluss von einer (in religiöser Terminologie gesprochen) unvollkommenen Schöpfung zu einem, notwendigerweise vollkommenden Schöpfer im Prinzip unlogisch wäre und somit unvernünftig. Mit unvollkommen meine ich hier keineswegs all das, was Menschen einander antun, auch die Schöpfung an sich enthält allerlei Schrecknisse in Form von Naturkatastrophen, die über Teile der geplagten Menscheit hereinbrechen und zahlloses Leid verusachen. Kein Mensch ist dafür verantwortlich, es passiert einfach, und darüber komme ich nicht hinweg. Seebeben, Tsunami, tausende sterben! Ausdruck einer vollkommenden Welt? Das Konzept der Ursünde bietet immerhin ein halbwegs ganzheitliches Erklärungsmodell für die Schrecknisse, die der menschlichen Verfasstheit, der"human condition" zuzuordnen sind, aber Plattentektonik als Folge einer Ursünde? Wäre es vernünftig das zu glauben? Woher soll ich dieses Vertrauen nehmen? Ein frommes "Der Herr wirds schon richten" reicht mir einfach nicht, und die Vermutung eines guten Freundes der unlängst anmerkte, dass es mir vielleicht an der nötigen Demut fehlt, weil ich mir anmasse alles verstehen zu wollen, war auch nicht wirklich hilfreich. Ich möchte ja nicht alles verstehen können, aber die Fragen und Zweifel die ich habe, kann ich auch nicht einfach ignorieren. Welche Antworten gibt es aus religiöser Perspektive auf meine Fragen?
Ich werde auch zukünftig wieder häufiger schreiben, meine Suche soll auch nicht vergebens sein, und gern teile ich hier mit, was mich bewegt, auch wenn die ursprüngliche Intention meines Blogs damit etwas verändert wird, geht es mir nach wie vor um das, was unsere Welt letztlich verstehbar macht, nämlich der Sinn des Ganzen. Über Kommentare freue ich mich und werde sie nicht unbeantwortet lassen.