Samstag, 9. Februar 2013

Gedanken zu einem schwierigen Thema

Seit dem hochgepushten Skandal um die beiden Kölner Kliniken in katholischer Trägerschaft ist das Thema Abtreibung wieder sehr präsent in meinem Denken, denn mir fällt eine klare Positionierung noch immer nicht leicht. Man könnte sagen - auch wenn das etwas pathetisch klingt - ich ringe noch mit mir um Klarheit. Insofern dient dieser Post auch meiner eigenen Meinungsfindung, was vielleicht etwas ungewöhnlich erscheint, da man sich normalerweise immer mit einer klaren Aussage der Öffentlichkeit präsentiert. Da es hier aber um Betrachtungen eines Konvertiten geht, mache ich es eben anders, ich lasse den geneigten Leser an meinen Gedanken und Betrachtungen teilhaben und hoffe auf interessante und vielleicht sogar hilfreiche Meinungsäußerungen. Was mich immer wieder erstaunt, eigentlich sogar unbehaglich fühlen lässt, ist die Sicherheit, mit der Abtreibungsbefürworter für die Freiheit der Wahl plädieren. Wenn das Leben der Mutter auf dem Spiel steht - wenn also Leben gegen Leben steht, halte ich eine Abtreibung für legitim, denn es ist nicht einsichtig, warum das Leben der Mutter weniger gelten soll, als das Leben des Ungeborenen. Ein schreckliches Dilemma. Im Falle einer Vergewaltigung habe ich ebenfalls Verständnis für den Wunsch nach Wahlfreiheit, denn die Vorstellung, dass man durch eine so traumatische Gewalteinwirkung schwanger wird, und die Folgen eines solchen Verbrechens dann die nächsten neun Monate am eigenen Leibe spürt, ist für mich erschreckend. Es sind wohl Vorstellungen wie diese, welche die Empörung so groß hat werden lassen in Köln und anderswo, weil hier die Vorstellung mitschwingt, man wollte einer so Geschädigten auch noch vorschreiben, das Kind auszutragen, bzw. jegliche Hilfe verweigern,  auch wenn beides erwiesenermaßen nicht der Fall war.
Für einen Gesinnungsethiker, der also aus Prinzip gegen Abtreibung ist, und dies auch noch öffentlich bekundet, stellt das Leben schwere Prüfungen bereit, denn es ist schlechterdings kaum möglich aus Gründen der Menschlichkeit gegen Abtreibung zu sein, ohne gleichzeitig als kalt, engherzig, heuchlerisch und grausam wahrgenommen zu werden, weil man ja die Not der betroffenen Frau scheinbar als unwichtig ignoriert - zugunsten der Moral.. Ja, so wird die Haltung eines konsequenten Abtreibungsgegners wahrgenommen, und wenn er noch so oft beteuert, dass man der Betroffenen jede nur denkbare Hilfe zukommen lassen muss. Kommt hier die alte Binsenweisheit neu zum Vorschein, dass ein Prinzip, so es denn zu 100% durchgehalten werden soll, sich irgendwann ins Absurde verkehrt? Vielleicht, jedenfalls haben Abtreibungsgegner bzw. Lebensschützer (die neben Abtreibung auch noch andere Themen aufgreifen) in Deutschland und anderswo einen traumhaft schlechten Ruf - allerdings zu Unrecht wie ich meine, denn die Frage nach dem Leben erlaubt keine Schnellschüsse. Ich gehöre nicht zu der "Abtreibung ist Mord" - Fraktion, ich verteile auch keine Embyonenpuppen in der Fußgängerzone, aber neben den von mir genannten Beispielen, wo das Situationsdilemma jedes erträgliche Maß übersteigt, gibt es immer noch weit über 100000 Abtreibungen jedes Jahr, mit sogenannter sozialer Indikation, und wie gesagt, mir ist unwohl zumute, wenn mit zu großer Selbstverständlichkeit auf ein Recht auf Wahlfreiheit insistiert wird. Ein grundlegender Gedanke hierzu lautet, dass der Mensch seinem Gewissen verpflichtet ist, und dass man ihm nicht zwingen darf, gegen sein Gewissen zu handeln. Das das ein katholischer Grundsatz ist, werden mir viele Leser sicher nicht glauben - stimmt aber trotzdem. Können sich also die Pro Choice - Anhänger, wenn sie auf Wahlfreiheit bestehen, nicht auf ihr Gewissen berufen? Ja, können sie, aber ein weiterer Grundsatz lautet, dass das Gewissen auch irren kann, und das eine Gewissensentscheidung nicht automatisch die richtige Entscheidung sein muss, was z.B. dann der Fall sein kann, wenn wichtige Informationen zur Entscheidungsfindung nicht bekannt sind. Und so komme ich wie immer bei all diesen Überlegungen zu derselben Grundsatzfrage, die allen weiterführenden Erörterungen vorangestellt werden muss: Was ist die befruchtete Eizelle, ein Dings, ein Etwas auf dem Weg zu einem Jemand, oder bereits ein Mensch, eine Person? Es ist wohl anzunehmen, dass gegensätzliche Auffassungen über die ethische Beurteilung von Abtreibungen ihren Ursprung zumeist in der unterschiedlichen Beantwortung dieser Frage haben. Da wäre zunächst einmal das "visuelle Problem", dass darin besteht, dass eine Zygote keinerlei Ähnlichkeit mit dem hat, was gemeinhin als Mensch bezeichnet wird, menschliches Genom hin oder her, der Phänotyp zeigt nicht viel menschenähnliches, und was nicht aussieht wie ein Mensch, kann auch noch kein Mensch sein - oder? Möglicherweise ist die Unähnlichkeit einer befruchteten Eizelle mit einem ausgereiften Fötus ein Grund warum die meisten Leute mit Befremden reagieren, wenn bei der Tötung einer Zygote seitens der Kirche von unschuldigem Leben gesprochen wird, dass es zu schützen gilt. Wieviel, fragen sich viele, weiss den der Embryo von dem Angriff auf sein Leben? Ich denke, dass für Viele mit der Verschmelzung von Spermium und Eizelle noch kein neuer Mensch die Bühne betritt, sondern ein Programm gestartet wird, dass einen Ausdifferenzierungsprozess initiiert, der einen Organismus mit zunehmender Komplexität heranreifen lässt, bis dann am Ende ein neuer Mensch entstanden ist, so dass die Würde eines solchen Organismus gewissermaßen sukzessive wächst, parallel zu dessen Reifegrad. Kann Würde heranwachsen? Ich glaube nicht, aber dennoch spiegelt sich das  in der sogenannten Fristenlösung des § 218 wieder. Im Grunde erscheint mir die sukzessive Zunahme an Würde und Menschenrechten eines Ungeborenen als absurd und erinnert an die alte katholische Lehre von der Sukzessivbeseelung, also der stufenweisen Beseelung der Leibesfrucht, die aber laut Wikipediaartikel 1679 zugunsten der Vorstellung einer Simultanbeseelung aufgegeben wurde. Und genau diese Simultanbeseelung scheint der Grund dafür zu sein, warum nach Auffassung der katholischen Kirche schon einem gerade entstandenen Embryo - auch schon vor der Nidation - die volle menschliche Würde, und somit ein unbedingtes Lebensrecht zukommt, Simultanbeseelung heißt, dass bereits nach der Verschmelzung von Spermium und Eizelle, die unsterbliche Seele dem Embryo innewohnt, ohne erst zu "wachsen" oder gar "heranzureifen", was auch keinen Sinn ergeben würde, da die Seele Geist ist, und Geist nicht den Bedingungen der materiellen Welt unterworfen ist. Unterschiedliche Grade der Reifung und Ausdifferenzierung der Leibesfrucht spielen hier also keine Rolle. Das Problem mit der Vorstellung, es handelt sich erst ab einem bestimmten Zeitpunkt um einen Menschen - mögliche Zeitpunkte wären z.B nach der Einnistung der Zygote, ab dem dritten Schwangeschaftsmonat, nach vollzogener Geburt, nach dem Spracherwerb, nach Erlangung eines Ichbewusstseins, nach dem Zahnwechsel ( gibt es wirklich! ), oder nach Vollendung der Volljährigkeit - besteht darin, dass jeder festgesetzte Zeitpunkt der "Menschwerdung" willkürlich erscheint, da er lediglich mehr oder weniger gut ( oder schlecht ) begründet werden kann. Wann ist ein Mensch ein Mensch? Im Grunde kann man vernünftigerweise nur sagen, dass der einzige wirklich objektiv begründbare Zeitpunkt der Entstehung eines neuen Menschen die Verschmelzung von Spermium und Eizelle ist. Menschliches Leben ist prozesshaft von den ersten Anfängen bis zum Tod, und es scheint gerade diese ungebrochene Kontinuität zu sein, die gegen die Annahme spricht, dass erst ab einem bestimmten Punkt der Entwicklung von einem Menschen gesprochen werden kann. Hier ist es tatsächlich die katholische Kirche die mit Vernunft argumentiert, wenn sie von der vollen, menschlichen Würde eines Embyos spricht. Teilt man diese Auffassung kann man eigentlich nur noch mit Rousseau sagen, dass die Freiheit des Menschen dort aufhört, wo die unseres Nächsten beginnt - was dann eine Abtreibung ausschließt. Aus diesen Gründen finde ich Demonstrationen gegen Abtreibung und für das Leben legitim und keineswegs verachtenswert, und die Aktionen vieler Gegendemonstranten, die auch vor Beleidigungen und physischen Übergriffen nicht zurückschrecken, heuchlerisch.
(Wird fortgesetzt)



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