Donnerstag, 26. Juli 2012

"Angst vor dem Beten:  Ist es Angst vor Selbsttäuschung oder vor Wahrheit? Angst vor psychologischen Komplikationen oder Angst vor Gott. Vielleicht gar gleichzeitig Angst sich zu finden und sich zu verlieren?"

"Wenn Gott fernrückt, problematisch, unwirklich wird, kann es heilsam sein, mit der Einbildungskraft dieses Gefühl bis zur Grenze vorzutreiben: dann wird auch die von Gott beraubte Welt ihrerseits so unwirklich erscheinen, dass die Situation von selber umschlägt."
( Henri de Lubac - Glaubensparadoxe )

Donnerstag, 19. Juli 2012

Kurze Info

Der neue Untertitel drückt sehr schön mein Empfinden aus, seit fast drei Jahren Katholisch zu sein, und sich dennoch nicht heimisch zu fühlen. Ich habe neben der Innenperspektive immer noch auch die Außenperspektive zu meiner Kirche, der ich mich aller Gespaltenheit zum Trotz, gleichwohl zugehörig fühle.
Es ist eben nicht so einfach. Das Gefühl noch nicht heimisch zu sein bildet eine starke Motivation für mich, eigene Texte zu veröffentlichen. Vielleicht hat so gesehen, eben alles auch sein Gutes.

Das Kreuz

Gott Jesus bat nicht darum eines grausamen Todes sterben zu dürfen. Im Gegenteil, er bat den Vater darum, der Kelch möge an ihm vorübergehen. Es spricht für sein Menschsein, dass er darum bat, und es spricht für sein Gottsein, dass er sich gefügt hat. Christus hat sich nicht gegen den Willen seines Vaters aufgelehnt, sondern sich ganz in die Hände der Menschen ausgeliefert. Man bedenke: Der Gottmensch Jesus ist ja immer auch der in Ewigkeit geborene Sohn. Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott. Konnte Christus somit überhaupt anderer Meinung sein als der Vater, mit dem er eines Wesens ist?  Aus freien Stücken - und das ist wichtig zum Verständnis, warum ein angeblich grausamer Gott seinen Sohn eben nicht voller Heimtücke hat abschlachten lassen - hat er sich gefügt. Ich bin sicher, dass Gott sein Heilswerk auf vielerlei Weise hätte realisieren können, aber Gott ließ den Menschen ihre Freiheit und ließ den Dingen ihren Lauf, um im Zuge der Ereignisse sein Heilswirken zu realisieren. Wusste Jesus im Garten Gethsemane davon was ihm blüht, ich meine, auf welche Weise er zu Tode kommen wird? Hatte er in seiner menschlichen Inkarnation gewissermaßen "Zugriff auf alle Infos"? War ihm wohl bewusst, dass er die schlimmste Todesart erleiden würde, die menschliche Grausamkeit in der Antike ersonnen hat? Oder war es die quälende Ungewissheit, die ihn Blut und Wasser schwitzen ließ? Ich weiß es nicht, aber ich bin überzeugt davon, dass Jesus sich aus Liebe - und das bedeutet immer aus freien Stücken - in die Hände der Menschen ausgeliefert hat.Für viele Menschen (auch Christen) ist das Kreuz - besonders mit Korpus - etwas abstoßendes. Ausdruck einer Sadomasochistischen Religion, die das Leiden verherrlicht und, um das zu verdeutlichen, konsequenterweise ein Folterinstrument zu ihrem Symbol gemacht hat. Aber das Kreuz ist ungleich mehr. Das Kreuz ist ein Hoffnungszeichen, das über sich selbst hinausweist. Es symbolisiert die Zerrissenheit unserer Welt, aber gleichzeitig auch ihre Heilung. Das Kreuz spricht von der Liebe Gottes zu uns, macht aber gleichzeitig Ernst mit dem Leid, der Bosheit und der Erlösungsbedürftigkeit der Menschheitsfamilie.
Ja es stimmt, die Leiden Christi werden verherrlicht, ihrer wird ständig gedacht, sei es in stiller Andacht, oder als große Prozession in Jerusalem oder anderswo. Der Kreuzweg ist wichtiger Bestandteil der katholischen Spiritualität und Frömmigkeit - wenn auch rückläufig.
Das bedeutet aber nicht, dass Christen aufgerufen sind, soviel wie möglich zu leiden, es ist eher so, dass das Christentum unter Fülle des Lebens ausdrücklich auch das Leiden mit einbezieht. Fülle des Lebens bedeutet gute wie schlechte Zeiten erlebt zu haben, und beides auch anzunehmen in Dankbarkeit. Wir sollen das Leid und den Schmerz nicht suchen, auch wenn es Christen gibt die genau das tun, ich denke da an einige abwegige Praktiken auf den Phillipinen, wo sich z. B. jedes Jahr einige Katholiken unter ärztlicher Aufsicht für einige Minuten an ein Kreuz nageln lassen. Wenn Jesus davon spricht, dass jeder sein Kreuz auf sich nehmen soll, meint er vielleicht, dass wir nicht der eigenen Trägheit verfallen sollen, sondern Gutes tun und nach Gottes Geboten leben sollen. Das dürfte schwierig genug sein für ein kurzes Menschenleben.
Ich verstehe gut, warum viele Christen lieber auf die Auferstehung blicken, aber die Glorie der Auferstehung, die sich still im geheimen vollzog, erlangt ihren tiefsten Sinn erst durch die öffentliche Erniedrigung Jesu und sein Sterben am Kreuz. Dieser Nullpunkt des irdischen Jammertales hat Christus durchlitten für uns, aber nicht nur um seine Solidarität mit dem Menschengeschlecht zu demonstrieren, sondern um die gefallene, irdische Wirklichkeit an ihrem tiefsten Punkt aufzunehmen und zu verwandeln. Es gibt für mich keine radikalere Art, durch die Gott seine Liebe zu uns hätte ausdrücken können.
Die durch menschliches Handeln vollzogene Erlösungstat Gottes am Kreuz – sowie die Auferstehung von den Toten sind zwei Seiten derselben Medaille, die einer konsekrierten Hostie gleicht.
Wir brauchen uns nicht mehr zu fürchten, als Christen sind wir durch die Taufe gestorben und in Christus wiedergeboren. Die furchtbare Angst die unser Erlöser im Garten Gethsemane hatte, braucht uns nicht mehr zu befallen. Sicher – es gibt keinen Heilsautomatismus, auch wenn viele das glauben wollen, das Leben bleibt ein Ernstfall, aber Christus hat uns – also seiner Kirche den Weg gewiesen, und wir sind aufgerufen in seine Nachfolge zu treten.
Der Rest ist Gnade.



Mittwoch, 18. Juli 2012

Ein externer Beitrag

Der folgende Text stammt nicht aus meiner Feder, sondern von Pfarrer Hendrick Jolie, der ihn unter dem Titel: "Sind Sie konservativ?" hier veröffentlicht hat. Pfarrer Jolie fasst mit so treffenden Worten das zusammen, was in mir schon seit längerem Unbehagen hervorruft, dass ich um die Erlaubnis bat, seinen Artikel hier veröffentlichen zu dürfen.

"Ein Katholik denkt global und handelt lokal. Er ist auf der ganzen Welt zuhause, aber damit noch nicht genug: Der Begriff des "Katholischen" (= "allumfassend") erstreckt sich nämlich nicht nur räumlich auf jedes Land dieser Erde. Wendet man den Begriff auf die Zeit an, so könnte man sagen: Nicht nur an jedem Ort dieser Welt sind Katholiken zuhause, sondern in jeder Epoche, in den vergangenen wie in allen zukünftigen. Zum Katholischsein gehören die Heiligen der vergangenen Jahrhunderte ebenso wie auch alles, was die Vorsehung Gottes für die Kirche und ihre Gläubigen noch vorbereitet hat.
 
Das großartigste Zeugnis dieser "katholischen" Geisteshaltung hat uns der Heilige Johannes mit dem letzten Buch der Heiligen Schrift geschenkt: Die Offenbarung des Heiligen Johannes ist ein Blick in den Himmel, der die universale (eben "katholische") Bedeutung Christi und seiner "Kirche" sichtbar werden lässt. Alle Epochen, alle Stämme und Völker sind berufen, dem geopferten Lamm zu dienen.
 
Diese Sicht ist für provinziell begrenztes Denken eine Zumutung. Deshalb haben clevere Geister den Begriff "konservativ" aus der Politik und der Soziologie geraubt, um ihn in die Kirche als Kampfbegriff einzuführen. Der Begriff soll fortan nicht länger eine soziologische oder politische Gruppe charakterisieren (in diesem - politischen - Sinne gab es immer Konservative und Liberale in der Kirche). Er wird nun direkt auf den Glauben angewendet.
 
Der Begriff "konservativ" (und seine Geschwister "erzkonservativ", "reaktionär") dient nun zur Stigamtisierung von Katholiken, die am Glauben der Kirche festhalten. Wer den Suchbegriff "konservative Katholiken" im Internet eingibt, erhält genau dieses Bild: Konservativ ist demnach, wer z.B. gegen Abtreibung ist und für den Schutz der sakramentalen Ehe einsteht. Konservativ ist, wer den Papst für unfehlbar, die kirchlichen Dogmen für wahr und die Gebote Christi und seiner Kirche für heilsnotwendig hält.
 
Eigentlich sind solche Leute nicht als "konservative Katholiken", sondern - tautologisch - als "katholische Katholiken" zu bezeichnen. Der Kampfbegriff des "Konservativen" suggeriert jedoch, dass es - wie in der Politik - auch im Hinblick auf den Glauben "konservative" und "progressive" Strömungen geben kann. Der Begriff der "Reform", des "Fortschritts" oder - neuerdings - des "Aufbruchs" wird dabei von jenen beansprucht, die z.B. in den o.a. Punkten Ansichten vertreten, die mit der Lehre der Kirche unvereinbar sind. Auch hier hilft der Suchbegriff "Reformen der Katholischen Kirche" weiter.
 
Die Einführung ideologischer Begrifflichkeit (konservativ - liberal) in den Diskurs über Glaube und Moral zeugt von terminologischer Unkenntnis und ist schon rein strategisch gesehen ein Irrweg. Sie verhindert die sachorientierte Auseinandersetzung über das, was zum unverrückbaren Glaubensgut der Kirche gehört und was tatsächlich als "Verhandlungsmasse" anzusehen ist. Andere Milleus würden sich gegen eine solche Ideologisierung wehren. Ist z.B. eine Chirurgentagung denkbar, bei der sich jene Ärzte, welche die Hygienevorschriften ihres Krankenhauses einhalten, als "konservativ" bezeichnen lassen würden?
 
Es ist allerhöchste Zeit, die ideologischen Hintergründe der momentanten Diskussion zu durchschauen. Leider übernehmen selbst Bischöfe in den Medien die Schlagworte "konservativ" und "liberal" - z.B. wenn Sie behaupten, sie gehörten nicht zum "konservativen Flügel" der Bischofskonferenz. Die einzig richtige Antwort wäre die Zurückweisung des Begriffs "konservativ" oder "liberal", weil er in Fragen des Glaubens kein passender Begriff ist. Es gibt keinen konservativen oder progressiven Glauben. Die Wahrheitsfrage kann nicht mit soziologischen Begriffen erläutert werden.
 
Ein Tipp: Werden Sie sensibel dafür, wenn in Gesprächen über Glaube und Kirche Begriffe wie "Fortschritt", "Rückschritt", "Offenheit", "Reformen" etc. verwendet werden. Fragen Sie nach, was damit gemeint ist. Weisen Sie es zurück, wenn Katholiken (insbesondere auch Priester), die den Glauben und die Lehre ihrer Kirche ernstnehmen, fälschlicherweise als "konservativ" bezeichnet werden.
 
Der Verfall unserer Diskussionskultur hängt eng mit dem Verfall der Sprache und einer unscharfen Begrifflichkeit zusammen. Dem sollten Katholiken widerstehen, soweit es in ihrer Macht steht."

Sonntag, 1. Juli 2012

Krise des Gottesbildes

Nicht wundern, dieser Beitrag war ursprünglich ein Kommentar, in einem von mir sehr geschätzten Blog. Aber wie ich so am schreiben war, merkte ich, dass ich den Kommentar auch hier als eigenen Beitrag veröffentlichen wollte.

Willkommen im neuen eiapoppeia – Wohlfühlchristentum, in dem Jesus nur noch als Sinnverstärker herhalten darf, um uns die Tiefendimension einer diesseitigen Lebensorientierung aufzuschließen. Religion – ein Wellnessangebot unter vielen. Es fällt mir oft wahnsinnig schwer, meinen Glauben in mein Leben ehrlich zu integrieren, aber ich bin katholisch geworden, weil mir klar wurde, dass eine zusammengeschusterte Patchworkreligion nichts wahrhaftiges an sich hat. Die Kirche stellt mich infrage – und das ist gut so! Gottes Zorn ist nur die Kehrseite seiner Liebe, oder wie Robert Spaemann einmal sinngemäß in einem Interview sagte: “Die Sonne die uns wärmt ist dieselbe, die uns auch verbrennen kann, das liegt aber nicht an der Sonne – sondern an den Verhältnissen auf der Erde.”
Die Trennung zwischen Glaube und Ethik ist ebenso wie die Trennung von Sex und Fruchtbarkeit eine Künstliche, und dem Christentum nicht wesensgemäß. Zu denken, dass alles was wir tun schon irgendwie in Ordnung ist, ist pures Heidentum, und kann sich ehrlicherweise nicht mehr christlich nennen. Natürlich – die Hoffnung, dass wenn wir vor dem Richterstuhl Christi stehen, und im Lichte seiner Liebe unser Leben ganz verstehen werden (inklusive den Dingen, die wir zu irdischen Lebzeiten nicht verstehen wollten), dass dann doch alles gut gewesen ist, ist auch meine Hoffnung. Aber ich hoffe das für alldiejenigen, die ohne den Glauben an Chrstus gestorben sind, und die doch von anderen geliebt wurden, aber ich weiss auch: Für verstorbene Freunde, die den Glauben an Gott stets abgelehnt haben, bietet das Christentum für die gläubigen Hinterbliebenen nicht viel tröstliches. Leider Gottes. Wünschen wir uns nicht alle, tief in unserem Herzen, Ewigkeit in Glückseligkeit? Ja der Gedanke schmerzt, dass es die enge Pforte gibt, und die ewige Verdammnis, aber ich halte im Glauben daran fest, weil Jesus selbst davon gesprochen hat. Das dieser Aspekt des Glaubens in der Verkündigung immer mehr ausgespart wird, ist ein durch nichts zu entschuldigendes Versäumnis, und schmälert die Glaubwürdigkeit der Kirche. Die Rede von der Hölle ist immer auch die Rede von unserer Freiheit – das sollte man nicht vergessen!!
Hierzu, auf der Seite: katholisch-informiert.ch, also zur Krise des Gottesbildes, und zu den neuen/alten (und nervigen) Reformthemen moderner Christen, wird Alfred Läpple, Professor für Religionspädagogik zitiert, der schon vor 30 Jahren lesenswertes zum Thema zu sagen gehabt hat.