Samstag, 30. Juni 2012

Aus meiner Gemeinde Teil 3

Auszug aus der Vorstellung einer vom Sachausschuss „Leitbild“ im vergangenen Herbst in Auftrag gegebenen Gemeindebefragung, initiirt vom Pfarrgemeinderat in meiner Heimatstadt, in der es nominell immerhin gut 13000 Katholiken geben soll. Ein wirkliches Meinungsbild wiedergeben kann diese Umfrage nach den Regeln der Statistik vermutlich nicht, weil nur 223 Personen daran teilnahmen. Dennoch zweifel ich nicht daran, dass diese Ergebnisse auch auf ganz Deutschland übertragen werden könnten, natürlich mit gewissen Abweichungen:

 "Lebendige Gemeinde braucht Reformen“
– auf die sie vergeblich wartet, dies ist die wahrscheinliche Antwort. Über die Einmütigkeit bezüglich der abgefragten Reformanliegen waren wir überrascht: 92% wünschen eine Aufwertung
der Stellung der Laien, 87% kirchliche Ämter für Frauen, 93% eine Freiwilligkeit des Zölibats,
83% die Abendmahlsgemeinschaft mit den evangelischen Kirchen, 77% eine Änderung der
Haltung zur Homosexualität und 74% sind unzufrieden mit dem Umgang mit wiederverheirateten
Geschiedenen. Dies ist zwar kein Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, aber ein starkes
Votum mitten aus der Kerngemeinde! Der Pfarrgemeinderat hat verstanden…


"Der Pfarrgemeinderat hat verstanden..." ?!? Das klingt fast wie eine Drohung oder? Was wird der Pfarrgemeinderat wohl jetzt machen? Ich vermute er wird das tun, was überall in Deutschland getan wird: Er wird die neuen alten Reformthemen weiter am köcheln halten, irgendwann muß die Suppe doch gar werden! Ich bin erst seit drei Jahren katholisch und stelle mir vor, dass es irgendwann einmal eine Zeit gegeben haben muß, in der man wusste was gemeint war, wenn von katholisch die Rede war. Heute ist das nicht mehr so, und damit meine ich nicht den krassen religiösen Analphabetismus außerhalb ( und innerhalb ) der Kirche, sondern die Tatsache, dass die Kirche zutiefst gespalten ist. Wenn man heute katholisch sagt, müsste eigentlich ersteinmal genau nachgefragt werden was denn damit eigentlich gemeint ist, denn katholisch ist offenbar nicht mehr gleich katholisch. Die Meinungen darüber was heute katholisch sein soll (darf) driften immer weiter auseinander und sollen zur Disposition stehen. Traditionell gesinnten Katholiken, also diejenigen die früher eben schlicht katholisch waren und die die Überlieferungen der Kirche achten, weht heute ein kalter Wind ins Gesicht, denn sie werden immer stärker in die Defensive gedrängt, und immer mehr zum Schweigen gebracht.
Für mich, der ich mich dem konservativen - also dem traditionsverbundenen Katholizismus - zugehörig fühle, ist es schwer sich als Neukonvertit in der Kirche heimisch zu fühlen. Nach Robert Spaemann ist der katholische Begriff von Fortschritt immer die organische Weiterentwicklung der Tradition, nicht aber der Bruch mit derselben. Was ist daran so schwer zu verstehen?

Aber der Reihe nach:

1.  92% wünschen eine Aufwertung der Stellung der Laien

Was genau soll das bedeuten? Es ist viel die Rede von einer Zweiklassengesellschaft innerhalb der Kirche, die Einteilung in Klerus und Laien wird von vielen als anachronistische und demokratieferne Zumutung empfunden. Viele Laien wünschen sich "flache Hierachien", und argwöhnen in der jetzigen Verfasstheit des Gottesvolkes ein angestaubtes Obrigkeitsdenken: Wir hier oben - ihr da unten. Sind traditionell gesinnte Katholiken autoritätshörige Kleingeister, weil sie den heiligen Vater sehr schätzen und das Petrusamt für absolut notwendig erachten? Sind traditionell gesinnte Katholiken zum selbstständigen Denken nicht imstande, weil sie das kirchliche Lehramt - für viele das große Übel schlechthin - für absolut notwendig halten?
Nein natürlich nicht. Ich beneide weder die Bischöfe, also die Nachfolger der Apostel, noch den Papst, den Bischof von Rom um das schwere Amt das sie auszuüben haben. Ich beneide auch keinen Priester, denn sie müssen heutzutage ein breites Kreuz und ein dickes Fell haben, v.a. wenn sie treu zum Papst stehen und sich nicht vom Zeitgeist einwickeln lassen wollen. Kleriker und Laien gehören zum selben Gottesvolk, aber ihre Berufungen - ihre Aufgaben sind unterschiedlich. Die geweihten Dienstämter übernehmen andere Aufgaben als die Nichtgeweihten, damit verbunden ist aber keine Aussage im Sinne vom Wert des Einzelnen vor Gott.
Bischöfe und Priester sind für mich Respektspersonen, weil sie durch das was sie sind, den authentischen Glauben aus 2000 Jahren Kirchengeschichte repäsentieren. Sie sind für mich in glaubenssachen Autoritäten, weil sie in Einheit mit dem Papst und dem Lehramt das verkünden, was immer katholischer Glaube war. Dafür bin ich dankbar! Die Ausrichtung auf Autoritäten in Glaubensfragen schützt uns vor dem Abstieg in die Mittelmäßigkeit - vor dem Abgleiten in Häresien und Heterodoxien. Nur in der hierachischen Verfasstheit der Kirche ist garantiert, dass auch kommende Generationen die authentische katholische Lehre erfahren können.
Was ist daran so schwer zu verstehen?

2. 87% wünschen kirchliche Ämter für Frauen

Ich vermute mal das damit die Zulassung von Frauen für geweihte Ämter gemeint ist, also Diakonin, Priesterin, Bischöfin und am Ende vielleicht auch Päpstin ( wenn man es konsequent zuende denkt )
Im Grunde kann man sagen was man will, es ist immer falsch. Es wird als falsch verstanden, weil in unserer Gesellschaft Frauen genauso Zugang zu allen Berufen und Stellungen haben sollen wie Männer. Das ist richtig, wichtig und gut so. Aber in der Kirche geht das nicht. Die Kirche ist natürlich Teil unserer Gesellschaft, aber nicht in dem Sinne, dass sie mit ihr identisch wäre, auch wenn das offenbar das Ziel vieler Kathreformis ist.
Wenn Papst Johannes Paul II nochmals erklärt, dass die Kirche nicht befugt ist, Frauen den Zutritt zu geweihten Ämtern zu gestatten, dann ist das für viele natürlich nur eine vorgeschobene Behauptung von geweihten Amtsträgern, die um ihre Vorherrschaft fürchten, was dann natürlich nur wieder ein Beweis für rückständige Strukturen innerhalb der Kirche ist.
Wenn man aber die Abendmahlsberichte genau betrachtet, und sich deutlich macht, dass hier jedes Detail wichtig ist, dann stellt man fest, dass im engsten Apostelkreis der Zwölf nur Männer vertreten waren. Warum das so war, weiß ich natürlich nicht, dies bleibt Jesu Geheimnis, aber man darf nicht einfach darüber hinwegsehen und das als zufällige Belanglosigkeit betrachten. Gerade hier an diesem Ort in dieser Stunde ist jedes Detail bedeutungsvoll. Es ist Treue zur Überlieferung und nicht kaschierte Frauenfeindlichkeit oder überholte Theologie.
Was ist daran so schwer zu verstehen?

3. 93% wünschen eine Freiwilligkeit des Zölibats

Freiwillig?? Jetzt mal ehrlich, wer hier von Freiwilligkeit spricht, meint doch wohl die Abschaffung oder nicht?
Im übrigen kenne ich keinen Priester, der zu einem Leben im Zölibat gezwungen wurde, meines Wissens, ist die Entscheidung zum Priestertum - zu der natürlich der Zölibat gehört - immer freiwillig. Bevor ein Mann den Zeitpunkt seiner Priesterweihe erreicht hat, vergehen mindestens 6 bis 7 Jahre, er hat also viel Zeit um in sich den Entschluß reifen zu lassen als Priester mit allen Konsequenzen zu leben - oder eben einen anderen Weg innerhalb der Kirche zu gehen. Diejenigen die sich für die Priesterberufung entscheiden - falls die Kirche sie für geeignet hält - leben den Zölibat als Teil und Ausdruck ihrer priesterlichen Berufung. Viele Menschen behaupten, dass sich Priester auch Frauen und Kinder wünschen, aber diese Behauptung halte ich für extrem gewagt, denn wir hören wenn überhaupt nur von denjenigen, die am Zölibat gescheitert sind, nichts aber von den Vielen, die ihrer priesterlichen Lebensweise treu geblieben sind.  Viele sagen auch, dass man eine solche Entscheidung fürs Leben einfach nicht treffen könne. Wieso nicht? Wer behauptet, dass man eine solche Entscheidung nicht treffen kann, stellt die Fähigkeit des Menschen eine Entscheidung fürs Leben zu treffen, grundsätzlich infrage und orientiert sich bei seiner Einschätzung offenbar zu sehr an den hohen Scheidungsraten in Deutschland oder anderswo. Der Zölibat drückt die Hingabe des Priesters an Gott und seinem Nächsten aus, indem er sich für seine Berufung permanent verfügbar hält. Ich persönlich stelle mir das sehr schwer vor, und es bedarf sicher großer Gnaden von Gott, um die Kraft zu haben einen solchen Lebensentwurf durchzuhalten. Aber gerade deshalb verdienen Priester unseren Respekt und unsere Unterstützung, denn sie sind gerade durch ihre Lebensweise ein starkes Zeichen für Gottes Gegenwart in unserer Zeit. Was ist daran so schwer zu verstehen?

4.  83% wünschen die Abendmahlsgemeinschaft mit den evangelischen Kirchen

Nur 83% !!, ich denke 100 % aller Christen wünschen sich eine Abendmahlsgemeinschaft mit der evangelischen Kirche,  aber, und jetzt kommt der Haken, erst nach Bereinigung aller wichtigen Differenzen. Auch ich bin ungeduldig, denn der konfessionelle Riss geht mitten durch meine Familie, und es fällt mir häufig schwer im Gespräch mit meinen Vater oder mit anderen evangelischen Christen die nötige Geduld zu bewahren, denn ich werde oft mit Halbwissen über meine Kirche genervt, was ich oft als beleidigend empfinde. Auf der anderen Seite weiß auch ich vieles nicht über die evangelisch gesinnten Glaubensgemeinschaften, und ich lasse mich gerne überraschen, aber dennoch bleibt es dabei:  Die Eucharistie ist das Sakrament der Einheit der Kirche, und setzt daher auch die Einheit des Glaubens, d. h. die volle Kirchengemeinschaft im Glauben voraus. Diese ist aber nicht gegeben, gerade im Bereich der Ekklesiologie und der Sakramentenlehre gibt es Differenzen, die man nicht einfach als theologische Randthemen beiseitewischen darf. Hier geht es um einen ehrlichen Dialog, der auch die Unterschiede benennt ( falls diese noch bekannt sind ). Die katholische Auffassung von der bleibenden Realpräsenz im konsekrierten Brot, und die Überzeugung, dass es hier nicht nur um ein Erinnerungsmahl geht, sondern um die Vergegenwärtigung des Opfers Jesu Christi, dass in unblutiger Weise durch den in Persona Christi am Altar stehenden Priester geschieht, unterscheidet sich zu sehr von der Auffassung reformatorischer Gemeinschaften. Der Opfergedanke spielt hier keine Rolle mehr, und wo kein Opfer da kein Priester - logisch. Derartige Unterschiede sind aber gravierend. Wir müssen uns abgewöhnen unsere eigene Lebensspanne als Zeitmaß für eine "Wiedervereinigung" anzunehmen. Menschenwerk hat die Kirche gespalten, und wir müssen es allen notwendigen Anstrengungen zum Trotz der Gnade Gottes überlassen, wann der zerbrochene Spiegel wiederhergestellt wird. Es war auch Ungeduld, die die Trennung herbeigeführt hat, daher sollte nicht Ungeduld unser Ratgeber bei allen ökumenischen Bemühungen sein.
Was ist daran so schwer zu verstehen?

5. 77% wünschen eine Änderung der Haltung zur Homosexualität 

Wie ist denn die Haltung der Kirche zum Thema Homosexualität? Lehrt die Kirche das Menschen mit homosexueller Neigung diskriminiert werden sollen, das sie besonders böse Sünder sind, während die Heteros alle gute Sünder sind??
Man lese bitte den KKK zu diesem Thema! Die Kirche lehrt, dass praktizierte Homosexualität eine schwere Sünde ist. Das biblische Zeugnis hierzu ist eindeutig, und falls mit einer Änderung der kirchlichen Haltung zum Thema Homosexualität gemeint ist, dass die Kirche von diesem Teil seiner Verkündigung abrückt, dann kann ich nur sagen: No Sir! Die Kirche soll zeitgeistkonformer werden und deshalb auf sperrige Themen verzichten, dies kann sie aber nicht, weil sie zur Treue gegenüber der göttlichen Offenbarung verpflichtet ist. Jede Exegese die versucht praktizierte Homosexualität als etwas dem christlichen Menschenbild entsprechendes zu vertreten muss sich die Kritik gefallen lassen, ungenehme Stellen zu harmonisieren.
Was ist daran so schwer zu verstehen?

So, ich bedanke mich bei allen, die bis hierher mitgelesen haben. Zu dem letzten Punkt der Umfrage schreibe ich nichts mehr - jedenfalls heute nicht mehr.  Ich habe mich sozusagen "leergeschrieben"